Tagebuch

Seite 29

  Macuto (Venezuela),    22. Juni 2006 - 19.00 Ortszeit  


     

Die letzten Gruesse aus Suedamerika !

Nach unserer Ankunft in Mérida, am Montagfrueh, den 5. Juni, beschlossen wir dort mindestens eine Woche zu bleiben, da dieses Staedtchen all das nicht besass, was uns in den vergangenen Wochen in Venezuela so nervte.

In der Posada Guamanchi fanden wir ausserdem eine Unterkunft die alles bot was wir begehrten. � Haengematten zum Faulenzen auf mehreren Terassen bzw. Balkonen, eine Kueche zur Mitbenutzung, eine Fernsehecke zum WM-Spěele schauen, nette Leute und eine zentrale Lage mit einer Panaderia, einem Internet und der laengsten Seilbahn der Welt gleich nebenan.

Die ersten 4 Tage verbrachten wir mit dem Erkunden des Staedtchens und besuchten dabei unter anderen die "Heladería Coromoto", die auf Grund ihrer mehr als 800 verschiedenen Eissorten (davon sind rund 75 bis 100 jeden Tag verfuegbar) in das Guinness-Buch der Rekorde aufgenommen wurde. Eissorten wie Forelle, Scampi oder Knoblauch sind dabei allerdings etwas gewoehnungsbeduerftig.

Die groesste Attraktion der Stadt ist die Teleférico de Mérida. Eine Seilbahn, die auf den Pico Espejo (4765 m) fuehrt und als die laengste der Welt gilt.
Aus dem Zentrum der Stadt, vom Plaza Heroinas, fuehrt sie ueber 12 Kilometer bis in die Gletscherregion der Anden und bewaeltigt dabei einen Hoehenunterschied von fast 3200 Meter.

Um mit dieser einmal zu fahren, machten wir uns am Freitag gleich frueh am Morgen auf den Weg.

Die erste Etappe fuehrte uns von der Talstation "Estación de Barinitas" auf 1577 m, bis zur ersten Zwischenstation "La Montańa" auf 2436 m. Weiter ging es dann zur Station "La Aguada" auf 3452 m und "Loma Redonda" auf 4045 m, von wo aus wir bei besten Wetter einen Panoramablick auf die ganzjaehrig schneebedeckten Gipfel Pico Bolívar 5007 m, Pico Espejo 4765 m und den Pico La Concha 4922 m hatten. Zu guter Letzt ging die Fahrt zum Pico Espejo, auf dessen Gipfel es verdammt frostig war, so dass ich mir meine Wollmuetze aufsetzen musste, was in Kombination mit den Sandalen und der halblangen Hose ein etwas skuriles Bild abgab.
Die Aussicht war zwar wunderschoen, auf Grund der Temperaturen beschlossen wir jedoch, gleich mit der naechsten Bahn wieder nach unten zu fahren, was allerdings auch seinen Grund darin hatte, dass die Luft dort oben ziemlich duenn war, man ausser Aussicht geniessen und fotografieren nichts weiter tun konnte und 12.00 Uhr das Eroeffnungsspiel der Fussball-Weltmeisterschaft angepfiffen wurde.

Trotz eines technischen Problems, dass auf dem letzten Abschnitt unserer Talfahrt auftrat und uns an der Station "La Montańa" eine dreiviertel Stunde warten liess, schafften wir es, den Fernsehraum in unserer Posada genau in dem Moment zu betreten, als in der sechsten Minute das 1:0 fuer die deutsche Mannschaft fiel.

Am Wochenende buchten wir dann in unserer Unterkunft eine 4-taegige Reise in die Los Llanos (ein Aufenthalt in der Steppe auf eigene Faust ist kaum zu bewerkstelligen, da die Camps schwierig zu erreichen und fuer Individualtouristen erheblich teuerer sind), die am Montagmorgen 8.30 Uhr startete.

Die Llanos sind ein Flach- und Savannenland ohne groessere Erhebungen und gelten als das Tierparadies in Venezuela. Hier leben unter anderen Flussdelphine, Leguane, Schildkroeten, Anakondas, Boas, Klapperschlangen, Kaimane, Aras, Bruellaffen, Ozelots, Jaguare, Pumas, Fuechse, Waschbaeren und viele verschiedene Vogelarten.

Eigentlich hatten sich ausser uns beiden, noch ein Belgier und zwei Englaender fuer die Tour angemeldet. Da die beiden Briten aber kurzfristig wieder absprangen, waren Lieven und wir 2 die einzigen Teilnehmer, was aber auch nicht schlecht war, da wir somit mehr Platz im Auto hatten.

Die laut Reisefuehrer schoenste Straße Venezuelas, die Transandina, schraubt sich zunaechst vom Startpunkt auf 1500 m in Mérida immer hoeher in das Hochland der Sierra Nevada hinauf. Dabei geht die Fahrt vorbei an kolonialen und malerischen Doerfern, sowie an Bergbauern, die zum Teil in einer aberwitziger Hanglage von fast 45 Grad, mit Hilfe von Ochsenkarren, ihre Aecker pfluegen und bestellen.

Weiter ging es nach San Rafael de Mucuchies, auf 3140 m und 55 km von Mérida entfernt, wo die natursteinernen Kapelle (UNESCO Kulturerbe) des in Venezuela beruehmten Kuenstlers Juan Felix Sánchez (1900-1997) steht.
Auf dem hoechsten Punkt der Straße, auf 3500 m, an dem die Gletscherlagune Mucubají liegt, machten wir im Sierra Nevada Nationalpark eine kurze Rast und fuhren danach abwaerts die Serpentinen entlang, durch verschiedene Vegetationsstufen wie Páramo, Elfenwald und subtropischen Regenwald. In Barinas, was nur noch auf 300 Hoehenmetern liegt, machten wir Mittags Halt an einer Grillstube und probierten die dortige Spezialitaet, die aus einem Berg Fleisch mit Yucca besteht.

Beim nachfolgenden Tankstopp konnten wir dann live das bemerkenswerte Preissystem an den Tankstellen in Venezuela sehen. Die Vollbetankung unseres Jeeps mit 70 Liter kostete gerade einmal 3400 Bolivar, was in etwa dem Gegenwert von 1,25 Euro entspricht.
Der Liter Super kostet 97 Bs. und der Liter Diesel 48 Bs.. Zum Vergleich: 1 Liter Mineralwasser kostet 1200 Bs. �.. Wahnsinn!


Das Campamento in den Los Llanos erreichten wir schliesslich nach 420 km Fahrt gegen 17.30 Uhr und bezogen dort eine Unterkunft, die aus einem Rundbau, in dem Platz fuer 12 Haengematten war, bestand.


Am naechsten Tag ging es auf dem Dach des Jeeps hinaus in die Savanne, die im Monat Juni schon gut gewaessert war. Die Regenzeit beginnt zwar erst Ende Mai und dauert bis November, doch schon wenige Tage nach den ersten Regenfaellen blueht die bis dahin vertrocknete und vergilbte Landschaft auf und zeigt sich von seiner schoensten Seite. Dann ist es kaum zu glauben, dass in der Trockenzeit die Erde austrocknet und den Lehmboden Risse durchziehen. In der Trockenzeit ist die Wahrscheinlichkeit am groessten, eine Anaconda auf der Suche nach einem Wasserloch ueber die Strasse kriechen zu sehen, waehrend es relativ schwierig ist, in der Regenzeit auf den ueberfluteten Flaechen ein Exemplar aufzuspueren. Am Ende der Regenzeit gestaltet sich die Tierbeobachtung schwieriger, da die Fluesse dann bis zu 8 Meter mehr Wasser fuehren und die Tiere sich nicht, wie in der Trockenzeit, ohne grosse Suche an einem der raren Wasserloecher aufspueren lassen.

Unser erstes Ziel an diesem Tag war eine Bootstour durch die zahlreichen verzweigten Kanaele. Keine Chance kein Tier zu sehen!
Rosafarbene Suesswasserdelphine durchpfluegen das Wasser, Papageien sitzen in den Baumwipfeln, worunter sich Schlangen im Geaest schlaengeln und Wasservoegel und Kaimane sind fast schon als Plage zu bezeichnen.
Unter den hier lebenden Baumschlangen befinden sich auch einige sehr giftige Exemplare. Laut unserem Guide koennen diese, durch einen Biss, ein Pferd innerhalb von 10 Minuten toeten. Nicht gut ist es dann zu wissen, dass die naechste Station die ein Gegenserum hat, nicht innerhalb einer Stunde zu erreichen ist. Dementsprechend respektvoll sassen wir dann auch beim Unterfahren von Geaest im Boot und liessen die zum Teil nur knapp 1 m ueber unseren Koepfen vorbei ziehenden Aeste nicht aus den Augen.

Ein Erlebnis unseres kleinen Bootsausfluges war, dass einer der mitfahrenden Einheimischen, der bis dahin nur durch seine Schweigsamkeit auffiel, urploetzlich mit samt seinen Sachen ins Wasser sprang und mit einer Schildkroete in der Hand wieder auftauchte. Schildi wurde daraufhin erst mal im Boot begutachtet und befuehlt, bevor sie, nein nicht im Suppentopf, wieder im Wasser landete.
Fuer den Nachmittag war dann als Hoehepunkt die Suche nach einer Anakonda angesetzt. Dafuer stiefelten einige Einheimische durch die ueberfluteten Wiesen und versuchten mit Hilfe von Stoecken eines der Tierchen aufzustoebern. In unserer Unterkunft hatten wir auf Fotos schon ein 8 m langes Exemplar gesehen und hofften nun auf ein aehnlich grosses Geschoepf.

Zunaechst stolperten die Guides jedoch ueber einen kleinen Kaiman, den sie anschleppten, das Maul zubanden und danach als Fotoobjekt missbrauchten. Nach einer halben Stunde war es aber soweit und die Jungs kamen mit einer etwa 2 m grossen Anakonda aus dem Sumpf gewatet, was zwar kein Vergleich zu den erhofften 8 m war, sich dafuer aber prima um den Hals legen liess. Natuerlich liess sich jeder fuer ein Erinnerungsfoto mit der Schlange ablichten, bevor diese sich wieder ihrer Wege schlaengeln durfte.

Am Abend war dann eine Party in einem der benachbarten Camps angesagt, wo unsere letzten spaerlichen Alkoholvorraete aufgebraucht wurden und wir Tobias und Sandro aus Dresden kennen lernten.

Den naechsten Vormittag wurden wir aufgefordert uns gefaelligst selbst um unser Abendbrot zu kuemmern und bekamen zwei Stoecke mit einer Nylonschnur, an der sich ein Stahlhaken befand, in die Hand gedrueckt.
Piranha (Caribe) fischen war angesagt!
Nach einer kurzen Einweisung und altem Fleisch am Haken ging es los. Die Piranhas bissen auch ganz prima, nur leider interessierten sich die dummen Viehchter immer nur fuer das Fleisch, waehren sie den Haken verschmaehten.
Immerhin brachten wir es innerhalb der naechsten Stunde fertig 6 Fische aus dem Wasser zu ziehen, so dass wir uns keine Sorgen zu machen brauchten, des Abends hungrig in die Haengematte zu muessen.

Zum Nachmittagsprogramm gehoerte dann ein Ausritt zu Pferde, auf den ich mich schon besonders freute.

Na gut, der Wahrheit nahe kommen wuerde wohl eher wenn ich schreibe: ich blickte mit sehr gemischten Gefuehlen der Aktion entgegen. Auf einem Rummel hatte ich als etwa 5-jaehriger Steppke zum letzten Mal auf einem dieser vierbeinigen Ungeheuer gesessen und seit dem auch nichts vermisst.
Da es aber nun einmal auf dem Programm stand wollte ich auch kein Spielverderber sein, bestieg einen der zugegebenermassen recht kleinen, wiehernden Teufel und es ging gemaechlichen Schrittes 2 Stunden lang durch das Sumpfland der Llanos.
Wie langweilig ! Zu langsam um Spass daran zu haben und zu aengstlich um schneller zu reiten, waren wir nach 2 Stunden froh, als der Ritt auf den Bestien zu Ende war.
Zur Belohnung fuer die erlittenen Qualen bekamen wir am Abend unsere Piranhas vorgesetzt, die nicht einmal schlecht schmeckten, aber sehr mueheselig zu essen sind, da sie zum groessten Teil aus Graeten bestehen.

Donnerstag, den 15.Juni, fuhren wir am Vormittag zurueck nach Mérida und erhielten dort in der Posada Guamanchi unser altes Zimmer wieder, welches uns Volkhard (einer der dortigen Angestellten) frei gehalten hatte.
Am Abend des selbigen Tages trafen wir uns mit Tobias, Sandro, sowie einem Slowenen, um einmal das Nachtleben von Mérida kennen zu lernen. In einer Diskothek am Plaza Bolivar, in der Sambareggea gespielt wurde, sowie eine Liveband auftrat, wagten wir es sogar, berauscht von einigen Pitchers cerveza, sowie einer halb geleerten Flasche Wein, das Tanzbein von uns zu werfen. Nur leider fand gegen Mitternacht ploetzlich eine Razzia statt, so dass auch wir gezwungen waren das Etablissement zu verlassen und uns nach Alternativen umzuschauen. Von einigen Einheimischen wurde uns die Diskothek Calypso empfohlen, in der allerdings eine so schreckliche Rapmucke gespielt wurde, dass wir es vorzogen, nach reichlich einer Stunde wieder zu verschwinden und, nachdem wir einen von Liebeskummer und Alkohol zerstoerten Franzosen in seiner Unterkunft abgeliefert hatten, uns noch ein Bier auf der Terrasse unserer Posada zu goennen.

Fuer den Sonnabendnachmittag hatte Romy beschlossen einen Tandem-Paraglidingflug zu wagen und so fuhren wir auf einer teilweise unbefestigten Strasse durch den Kaktuscanyon bei Las González und auf Serpentinen bis nach Tierra Negra, wo sich die Absprungstelle befand. Waehrend Romy mit einem Schirm gen Tal segelte, betaetigte ich mich als Fotograf und fuhr spaeter im Auto wieder nach Las González, wo wir Romy einsammelten und zurueck nach Mérida fuhren.

Dort blieben wir noch bis Dienstag und fuhren dann wieder an die Karibikkueste nach Macuto, um nun, in den letzten Tagen vor der Heimreise, noch die Sache mit unseren Flugtickets zu klaeren. Ueber diese Aktion und ob wir wieder gut in Deutschland angekommen sind informiert dann der naechste Tagebucheintrag.

Muchos saludos a Alemania

von Romy & Dirk

 

 

   


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